Kein Fest: Das Ukrainisch-Deutsche Sommerfest in der Fallhütte

Am 20. Juli 2024 fand in der Neidinger Fallhütte das Ukrainisch-Deutsche Sommerfest statt. Ich würde es nicht noch einmal zu nennen. Jedenfalls solange die Ukraine sich gegen russische Invasionstruppen wehren muss.

Über 120 Menschen waren da, die meisten Ukrainerinnen und ihre Kinder. Organisiert hat das Ganze ein Freundeskreis um Markus Nieding, der seit 2022 regelmäßig Hilfsgüter in die Ukraine bringt. Gabi Degen und Andreas Kussmann sammelten Spenden für das Benzin des nächstens Konvois. Es kamen über 2.000 Euro zusammen.

Es war ein heißer und sonniger Tag. Ukrainische Besucherinnen brachten eigene Gerichte mit, wie das für Gäste in ihrem Land üblich ist. Die kulinarische Auswahl war groß. Viele Kinder rannten herum. Gabi Degen hatte mit enormem Einsatz Sachspenden für die Tombola eingeworben. Für jedes der 500 verkauften Lose gab es einen Gewinn. Die Hauptpreise waren Rundflüge über Baden-Württemberg.

Es war ein schöner Tag, aber die Stimmung war gedämpft. Ich sprach mit einigen, die Söhne, Brüder und Väter an der Front verloren haben. Andere bangen um ihre Lieben, die im Kampf stehen oder die in der Ukraine bleiben mussten. Am schlimmsten ist es für die, deren Angehörige einfach verschollen sind. Und nicht alle Kinder können sich so einfach auf den Verlust der Heimat einstellen.

Ukrainische Mutter und kleines Kind in den Trümmern ihres Hauses.

 

Einer der wenigen Männer sagte, er habe immer als Tourist nach Deutschland kommen wollen. Dass er jetzt mit seiner Familie hier sein kann, erfüllt ihn mit Dankbarkeit. Zu feiern gebe es für ihn aber nichts. Die Sprache, die fremde Kultur und vor allem die fehlende persönliche Perspektive für die Zukunft machen ihm zu schaffen.

Ich dachte daran, wie es wohl mir ginge, wenn ich fliehen müsste. In meinem Alter gäbe es für mich als „Untauglichem“ wohl kaum eine militärische Verwendung. Was würde mich dazu bringen zu gehen? Ständige Bombenangriffe auf die Bundeswehr in Stetten? Kein Strom, keine Heizung, kein Wasser? Wenn vom Wohnhaus nur noch die Außenwände stehen, wie das meine Schwiegereltern in der Innenstadt von Charkiw erlebt haben?

Die zerstörte Wohnung meiner Verwandten in Charkiw, in der Ukraine.

 

Vor 2021 habe ich jedes Jahr das Neue Jahr dort auf dem Foto gefeiert, wo jetzt der Boden des Stockwerks verschwunden ist. Die Helfer befinden sich auf der darunter liegenden Etage. Die Wohnung lag im Zentrum der Millionenstadt, wo es keinerlei militärische Einrichtungen gab.

Was würde man selbst machen? Von hier aus würde man in die Schweiz, nach Italien oder nach Frankreich fliehen. Als Urlaubsländer gerne besucht, aber wollte man dort dauerhaft leben? Als Gast, mit wenig Geld, und den Erinnerungen an die Heimat. Oder zurückgehen? Die Realität in den besetzten Gebieten sieht so aus, dass die eigene Sprache nicht mehr gesprochen werden darf, dass keine Bücher in dieser Sprache mehr zugelassen sind.  Und es gibt die Willkür der Besatzer, die gerne kleine Kinder zur Adoption suchen. Als Bürgerin und Bürger zweiter Klasse müsste man leben, verfemt von den Staatsmedien. Als Nazi behandelt zu werden, ist das kein einfaches Leben.

Ein zerstörtes Haus in der Ukraine.

 

Anders wäre es vielleicht, wenn man das alles ausblendet. Die Lügen der Macht vertritt und den Zynismus der Herrschenden ignoriert. Und den russisch-orthodoxen Popen ehrt, der Massenmord für notwendig hält im Namen des Volkes.

Zu feiern würde es für mich nichts geben in der Fremde. Die Neidinger Veranstaltung ein Fest zu nennen, war daher nicht glücklich. Wenn es nochmal zu einer Veranstaltung dieser Art kommt und der Krieg noch immer andauert, werden wir eine andere Bezeichnung finden.

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