Kein Schweigen der Lämmer

Nach meinem Post über das umweltschädliche und sinnlose Neubaugebiet in Beuron sprachen mich Freunde und Verwandte an: Warum machst du das? Das bringt dir im Ort nur die Feindschaft derjenigen, die in der Gemeinde das Sagen haben. Und die irgendwie ein persönliches, wahrscheinlich finanzielles Interesse daran haben.

Tja, vielleicht.

Aber Widerstände können auch motivieren. Beuron ist ein Juwel. Hier leben fantastische Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Lebensläufen. Zuletzt hat die weltweit bekannte Künstlerin Alraune Siebert hier eine Immobilie erworben, in der sie ein neues Museum einrichtet. Die Natur, die Donau, die Ruhe, das Kloster, die Geschichte – deswegen bin ich seit 22 Jahren gerne hier. Und werde auch nicht mehr weggehen.

Was aber zunehmend verärgert, ist die bräsige Selbstzufriedenheit der lokalen Elite, die unverrückbar über dem allgemeinen Niedergang der Gemeinde residiert.

Bürger betrachten sie als Lämmer, die zu schweigen haben.

BeuronBerlin will Bürgern und Bürgerinnen eine Stimme geben, die keine Lämmer sein wollen. Erstmalig seit vielen Jahren muss ein Beuroner Bürgermeister wieder mit öffentlicher Kritik rechnen, wenn er Unsinn macht oder nichts tut.

Beuron ist ein Sonderfall

Der Verfall einer Gemeinde, die so wunderschön gelegen ist und so viel Potential wie Beuron hat, dürfte in Deutschland einmalig sein. Überall ist es in den letzten zwanzig Jahren vorwärtsgegangen. Mehr schöne öffentliche Räume, mehr Angebote für Bürger, mehr renovierte Denkmäler und Häuser. Die Städte und Dörfer um Beuron herum haben sich sichtbar herausgeputzt, sind lebenswerter geworden. In Beuron geht dagegen sogar der Tourismus zurück. Es kommen nur noch Selbstversorger, die in Holzfässern oder auf dem Campingplatz übernachten.

Die uralte aktuelle Homepage von Beuron

Die Webseite der Gemeinde ist blamabel schlecht (zum Vergleich wie heute so etwas aussieht: www.leibertingen.de). Die Nahversorgung mit Lebensmitteln ist verschwunden, es gibt keine Gasthäuser mehr und keine Stammtische. Der öffentliche Raum ist zunehmend ungepflegt. Alte Menschen leben unter miserablen Bedingungen, ich habe mit einer Menge von ihnen gesprochen. Junge ziehen weg. Das Pilgerbüro mit einer Stempelstelle für den weltbekannten Jakobsweg soll nach Sigmaringen verlegt werden, ohne Debatte. Dass Beuron seit Jahrzehnten die niedrigste Steuerkraftmeßzahl von 1.000 Gemeinden in Baden-Württemberg hat, passt ins Bild.

Ein vergessener Schilderrahmen

Keine Ideen, nirgends

Nur wenig ist in 22 Jahren passiert. Der neue Kindergarten, den die katholische Kirche mitfinanziert hat, ist eine schöne Sache, aber nichts besonders. Der lokale Biogasanlagenbetreiber, der neue Bürgermeister, versorgt jetzt als privater Monopolist ein Nahwärmenetz in einem Ortsteil. Bei dem Verlegen neuer Stromleitungen wurden Glasfaserkabel mitverlegt. Das ist alles.

Auf diese kümmerliche Bilanz sind Bürgermeister und Gemeinderäte so stolz, dass sie darüber nicht diskutieren wollen. Einer schlug mir die Haustür vor der Nase zu. Diesen Haustür-Akrobaten kenne und schätze ich eigentlich. Aber Kritik scheint er wie andere nicht zu ertragen.

Dass es ein Beuron geben könnte, das für alle lebenswerter ist, können sich diese Leute nicht einmal vorstellen.

Ein seit langem zerbrochenes Fenster

 

Der Bürgermeister ist entscheidend

Ein kleiner Exkurs zur Gemeindeordnung: Die baden-württembergische Gemeindeordnung gibt dem Bürgermeister eine sehr starke Position. Seine Amtszeit beträgt acht Jahre, kein Bundesland sieht eine derart lange Amtsperiode vor. Beuron hat mit seinen nicht einmal 700 Einwohnern zwei Teilzeit-Gemeindeangestellte und zwei Mann im Bauhof. Damit hängt es am Engagement des Bürgermeisters, ob sich etwas tut.

Die Bürgermeisterdarsteller, die ich in 22 Jahren persönlich kennengelernt hatte, hatten keine Ideen, keine Ahnung und keine Lust, mehr als das nötige Tagesgeschäft zu machen und den Grüßonkel zu geben.

Ruine in der Ortsmitte von Hausen i.T.

Wenn mich Freunde besuchen, verspotten sie mich. Wie könne ich es in einem so toten Winkel der Republik aushalten (André, ich denke da z.B. an dich!).

Ich habe es versucht

Liebe Freunde außerhalb von Beuron: Ich habe es versucht und mich zwei Mal um das Amt des Bürgermeisters beworben. 2011 und zuletzt im April 2024. Also sage niemand, ich sei nicht ins Risiko gegangen. Aber ich hatte keine Chance.

Das liegt an der besonderen Verhältnissen hier.

Ich bin zwei Mal gegen dieselbe Wand gelaufen. Beim ersten Mal im Jahr 2011 war ich noch ahnungslos. Die lokale Großfamilie brachte, für alle überraschend, einen ortsfremden Polizisten mit riesigen Kotletten an den Start und durchs Ziel.

Der Mann hatte gegenüber Bürgern ein Auftreten, das einem merkwürdig veraltetem obrigkeitsstaatlichen Denken entspricht. Er blaffte einmal einen Bürger an, der in einer Versammlung anderer Meinung als er war: „Dein Förderantrag liegt bei mir auf dem Tisch!“ Solche Figuren lassen einen an der Demokratie zweifeln. Aber natürlich sind Johnson, Trump, Orban, Kickl und Co. gefährlicher.

2024 trat ich wieder an. Der Kotletten-Mann hatte sich endlich in eine größere Stadt verabschiedet. Da ich um den Einfluss des Familienclans in der Gemeinde wusste, versuchte ich, vorab Kontakt in der Sache aufzunehmen.

Obwohl mit einigen aus der Großfamilie sogar zusammen Urlaub gemacht hatte, gab es kein Interesse an einem Gespräch. Wie zu erfahren war, hatte der Kotletten-Mann das aktuelle Familienoberhaupt, den Landwirt mit Biogasanlage, überredet, selbst anzutreten.

Damit hatte ich schon verloren. Aber der Wahlkampf war für mich persönlich ein tolle Sache. In meinen Gesprächen mit mehr als 120 Bürgern erfuhr sehr viel über das, was in den Jahren so gelaufen war. Und andersherum: Was alles nicht gemacht wurde, weil es niemanden interessierte.

Harte Bandagen und die Macht des Clans

Wie läuft eine Wahl in einer ländlichen Kleingemeinde ab?

Die einflussreichsten Gemeinderäte im Ort lehnten aus Loyalität gegenüber dem Clanchef sogar unverbindliche Kontakte zu mir ab. Ach, wäre es nur um die Wahl des schönsten Gartenzwergs gegangen!

Fies ging es auch zu: Eine der beiden Gemeindeangestellten, eine Freundin meiner Schwester, ließ trotz Neutralitätsgebot verlauten, dass sie nur bei meiner Niederlage ihre Arbeit fortsetzen würde. Meiner Kandidatur hat das gerade bei den älteren Wählern und Wählerinnen ziemlich geschadet.

Die Dame dachte übrigens, dass ich das nicht mitbekomme. Nach der Wahl kam sie wie immer – nach außen freundlich – angedackelt.

Interessant war, dass der ortsfremde Ex-Bürgermeister, mittlerweile anderswo in Amt und Würden, persönlich in Beuron Wahlkampf machte, um seinen Freund, den Clanchef zu unterstützen. Am Wahltag stand er den ganzen vor dem Wahlbüro und schüttelte Hände. Honni soit qui mal y pense!

Entscheidend war aber die Stimmenmacht des Clans: Mindestens 108 der am Ende 398 abstimmenden Wähler, das sind 27 Prozent aller Wähler, gehören in der Gemeinde zur Großfamilie und ihren Abhängigen.

Diese 108 Stimmen erhielt ein paar Wochen später ein Holzpfosten, auf dem frei nach Schillers Wilhelm Tell der Name des Clanchefs angeschlagen war. Obwohl gar nicht mehr wählbar, stand der Name bei der späteren Gemeinderatswahl aus technischen Gründen noch auf dem Wahlschein. Das reichte der Großfamilie und ihren Adepten, um ihm ihre Stimmen zu geben.

Hurra, ohne die 108 unbewegbaren Zementstimmen wäre ich Wahlsieger gewesen! Zur Stichwahl fehlten fünf Stimmen.

Geben wir dem neuen Bürgermeister eine Chance

Auf lokaler Ebene kann man viel bewegen, wenn der Wille da ist. Der Gemeinderat hat sieben neue Mitglieder, nur drei alte sind bei der Neuwahl im Juni übrig geblieben.

Das gibt Anlass zur Hoffung.

Die neuen Mitglieder des Gemeinderats müssen den neuen Bürgermeister dazu bringen, dass er sich wirklich um die Gemeinde kümmert.

Mein nächster Post wird die Themen behandeln, die ein guter Bürgermeister in acht Jahren erfolgreich bearbeiten kann, um Beuron für alle lebenswerter zu machen.

Dazu gehören die Energiewende, ein neues ÖPNV-Konzept, die Verbesserung der öffentlichen Räume, die Unterstützung der ortsansässigen Betriebe, die Entwicklung eines vernünftigen Tourismuskonzeptes und einiges mehr.

Geben wir dem neuen Bürgermeister aber die Chance, sich vom Saulus zum Paulus für unsere Gemeinde zu entwickeln. Vergessen wir seine vergangenen Fehlleistungen (z.B. stimmte er mit seinem Freund Rapha nicht nur für das unselige Neubaugebiet, sondern aus unklaren Gründen auch für den Kalkabbau in Thiergarten, der unsere schöne Gemeinde zerstört hätte).

Hoffen wir, dass er aus dem Interessenkonflikt, der sich aus seiner Beteiligung an der Biogasanlage ergibt, den richtigen Schluss zieht (er muss seine Anteile an der GmbH, die die Anlage als Monopolist betreibt, abgeben, wie das seine moralische Pflicht ist).

Als er mir beim Funkenfeuer der Feuerwehr Anfang des Jahres in Hausen i.T. mitteilte, dass er nach langer Überlegung für das Amt des Bürgermeisters kandidieren werde, sagte er wörtlich: „Ich will der Gemeinde etwas zurückgeben.“ Ich war beeindruckt. Aber den Worten müssen jetzt Taten folgen.

Liebe Freunde. Wir leben in einem freien Land, in dem man ungestraft seine Meinung sagen darf. Das ist ein Gut, das oft erst in seiner Abwesenheit geschätzt wird.

Und lieber Bürgermeister von Beuron: Die Lämmer schweigen nicht mehr.

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