Vorbemerkung
BeuronBeuron lädt Berichterstatter aus verschiedenen Orten ein, Beiträge für diesen Blog zu erstellen. Larissa Gorbatova ist seit vielen Jahren mit mir bekannt. Sie hat viel in der Welt gesehen und lebt derzeit mit ihrem Mann in Berlin. Sie ist die aktuelle Berlin-Korrespondentin. Viel Spaß beim Lesen.
So ein Pech!
Letzten Samstagnachmittag rutschte ich bei dem Versuch, in Berlin eine S-Bahn zu erreichen, auf der Treppe zum Bahnsteig aus. Ich fiel aufs Gesicht und die Knie. Ich konnte wieder aufstehen. Meine Knie schmerzten nur wenig. Mein Gesicht war jedoch voller Blut. Meine Zunge ertastete einen Schneidezahn, der nicht an der gewohnten Stelle saß. Mein Begleiter, der mit mir gerannt war, war durch das viele Blut in meinem Gesicht geschockt. Mit einem Taxi fuhren wir zum nahegelegenen Krankenhaus.
Berlin ist freundlich
Ich bin viel gereist und lebe erst seit kurzem in Berlin. Notaufnahmen habe ich verschiedenen Ländern aufsuchen müssen. Daher hatte ich keine großen Erwartungen an die nächsten Stunden. Aber Berlin hat mich überrascht: Das Personal war freundlich, sprach perfekt Englisch und die Einrichtung war makellos sauber.
Mit anderen Unglücklichen wartete ich auf den Arzt. Ein nervöses Mädchen in Schwarz, das Handy zitterte in ihren Händen, ein anderes Mädchen in Shorts, das still dasaß, dann mit jemandem sprach und zu weinen anfing, ein gutaussehender junger Mann mit Arm in einer Schlinge, der ständig fragte, wann er dran sei, ein paar ruhige ältere Männer mit unbekannten medizinischen Problemen.

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Außerdem ein offenbar Obdachloser unbestimmten Geschlechts, der bald einschlief. Von allen sah ich am furchterregendsten aus, und die Leute warfen mir mitleidsvolle Blicke zu.
Berlin ist kompetent
Nach etwa einer Stunde erschien der diensthabende Arzt – wie es hier offenbar üblich ist, jung, gutaussehend und fließend Englisch sprechend. Er untersuchte meine Wunden am Knie und im Gesicht. Zwei Krankenschwestern reinigten und verbanden meine Wunden, machten Röntgenaufnahmen. Ich war erleichtert: Brüche gab es nicht, mein Gehirn war intakt und die Wunden waren oberflächlicher Natur. Aber meinen Zahn musste ich von einem Zahnarzt behandeln lassen. Und zwar sofort.

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Also auf zu einer Notaufnahme mit einem Zahnarzt. Kurz vor Mitternacht traf ich dort ein. Die Patienten dort schienen gewöhnliche Zahnprobleme zu haben. Sie waren ruhig und unterhielten sich leise. Mein bandagiertes, blutiges Gesicht machte sie nervös. Die Situation erinnerte mich an einen Stand-Up-Auftritt von Michael McIntyre, einem britischen Komiker. Er erzählt, wie er mit einem blutdurchtränkten Lätzchen am Hals durch eine Zahnklinik läuft. Der Gedanke daran ließ mich lächeln, was mit meiner aufgeplatzten Lippe ziemlich schmerzhaft ausfiel.
Der Nachtzahnarzt erkannte den Ernst der Lage, nachdem er mich untersucht hatte. Er befürchtete, dass mein Zahn abbrechen könne, wenn er ihn einfach wieder gerade richtete. Da er nicht die notwendige Ausrüstung hatte, empfahl er, die Behandlung durch einen Zahnchirurgen durchführen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits nach Mitternacht.
Ein Kieferchirurg in der Nacht
Die nächste Notaufnahme mit einem Zahnchirurgen befand sich eine Taxifahrt weiter. Wieder füllte ich einen Fragebogen über Vorerkrankungen, Allergien, usw. aus. Nach vier Stunden Wartezeit erschien dann der ersehnte Kieferchirurg. Wieder ein junger Arzt, der als Model hätte arbeiten können. Seit meiner Kindheit habe ich eine Schwäche für gutaussehende Ärzte, aber um 5 Uhr morgens, mit meinem verschobenen Zahn, zweifelte ich wegen seines jungen Alters etwas an seiner Fähigkeit, mich zu behandeln.

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Aber ich konnte beruhigt sein. Der Arzt erklärte mir kurz, was er tun würde. Zu diesem Zeitpunkt, nach 10 Stunden in der Notaufnahme, war ich zu allem bereit, was meinen Zahn reparieren und mich meinem Bett näher bringen würde. Und dann ging alles sehr schnell: Eine Röntgenaufnahme, ein Blick auf das Röntgenbild, lokale Anästhesie, Zahn richten, Lippe nähen – fertig. Der Zahn wurde mit einer provisorischen Zahnspange fixiert. Das alles innerhalb einer halben Stunde. Um 6 Uhr war ich zu Hause.
Keine Reisen
So ging alles gut aus. Meinen Plan, in dieser Woche die Deutschen Meisterschaft im Standardtanz besuchen und meine Freunde anzufeuern, musste ich leider aufgeben. Auch eine Reise nach Bremen muss verschoben werden. Dafür bin ich jetzt mit drei Berliner Notaufnahmen vertraut, weiß, wohin ich mit welcher Verletzung gehen muss. Und ich habe einen kostenlosen Crashkurs in medizinischem Vokabular erhalten. Der Code für eine Verdachtsdiagnose eines Zahnwurzelbruchs lautet übrigens S02.5 V.
Noch besser ist es, gar nicht erst auf das Gesicht zu fallen.
Berlin kann auch positive Nachrichten liefern. Aber ich gebe es zu: ich bin ein Berlin-Fan.