Die ukrainische Hauptstadt wird Stück für Stück zerschossen – Der unmenschliche Krieg der Russen gegen die Zivilbevölkerung geht immer weiter

Das Foto von Efrem Lukatsky zeigt ein Haus im Zentrum von Kyjiw, das gestern von einer iranischen Shahed-Drone getroffen wurde. Die Bäume im Vordergrund sind verkohlt. Russland greift regelmäßig Wohnhäuser in der Hauptstadt der Ukraine an. Es gibt immer zivile Tote und Verletzte.

Selbst Russland behauptet nicht, dass mit diesen Angriffen Militäreinrichtungen oder politische Kader ausgeschaltet werden. Es ist blanker Terror gegen normale Menschen, die abends ins Bett gehen und nachts von den Bomben getroffen werden.

Für alle, die Anteil am Schicksal der Ukraine nehmen, wird es täglich schwieriger, die Nachrichten aus dem Land zu lesen. Bilder und Zahlen belegen das ungeheure Leid der Menschen.

Derzeit greift der Krieg überall um sich. In Gaza, im Sudan, im Osten des Kongo, in Myanmar, und jetzt im Iran und in Israel. Überall lebt eine unschuldige Zivilbevölkerung, egal wo der Krieg hinkommt. An die Kinder, die das erleben müssen, will man gar nicht denken.

Angst und Schrecken

Der Auslandskorrespondent Oliver Carroll vom Economist in Kyjiw berichtete heute über die Lage in der Ukraine. Sein Report könnte aus jedem Kriegsgebiet kommen. Hier sein Text, übersetzt aus dem Englischen von BeuronBerlin. Er ist ein Held der freien Presse wie andere seiner Kollegen.

„Ich melde mich heute morgen kurz aus Kyjiw. Eine weitere, die ganze Nacht andauernde Beschießung mit russisches Drohnen und Raketen hat den Korrespondenten um seinen Schlaf gebracht. Und ihn psychisch stark belastet. Was noch schlimmer ist: Der russische Angriff hat mindestens sieben Menschen das Leben gekostet und Dutzende andere für das Leben verletzt.

Der deutsche Kriegsreporter Paul Ronzheimer/
Quelle: Der Bund, Schweiz

Trotz des ganzen Geredes über Abfangdrohnen scheinen wir von einer wirksamen Luftverteidigung noch weit entfernt zu sein. Im Moment ist das System durch die russischen Bombardements überlastet. Hochwertige Luftabwehrsysteme, die beispielsweise ballistische Raketen abfangen, werden rationiert. Landesweit werden vier von fünf Shaheds abgeschossen, aber die, die durchkommen, richten großen Schaden an. In einigen Kiewer Stadtteilen herrscht der gleiche Terror wie in Frontstädten wie Charkiw, wo die russischen Angriffe ganze Wohnblocks zerstören.“

Nüchterne Analyse

„Am Wochenende (gestern) nahm ich an einem Briefing mit Oleksandr Syrsky, dem Oberbefehlshaber der Ukraine, teil. Seine Botschaft war nicht vielversprechend: Macht euch auf eine lange Durststrecke gefasst. Die Dinge werden nicht so bald besser. Trotz des Kreml-Geredes über Verhandlungen glauben die ukrainischen Militärchefs jetzt, dass Wladimir Putin seine Armee auf einen unbegrenzten Krieg eingestellt hat. Die russischen Verluste in der Ukraine sind riesig (mehr als eine Million Mann seit 2022). Aber derzeit beträgt die Truppenstärke fast 700.000 Mann, mehr als je zuvor, und sie wächst jeden Monat um 8.000 bis 9.000 Mann. Die Ukraine kann dagegen nicht einmal ihre Verluste ausgleichen, eine Tatsache, die die ukrainischen Rekrutierer auf die internationalen Söldner-Märkte gelockt hat, wie ich letzte Woche berichtete.

Zerstörung eines Hause in Charkiv 2025,
Foto: Witalij Hnidyi / Reuters

Putin glaubt offensichtlich, dass er die ukrainische Entschlossenheit brechen kann, vor allem angesichts von Donald Trump, der ihn nicht unter Druck setzen will. Ohne einen bedeutenden Durchbruch an der Front wird Putin aber bei diesem Unterfangen mit ziemlicher Sicherheit scheitern. Außer Frage steht jedoch, dass Russland im Zeitverlauf die Stärke und Einheit der Ukraine schwächen kann. Das wird wahrscheinlich sein Ziel sein. Ein hoher ukrainischer Beamter sagte mir letzte Woche, er befürchte, dass die Ukraine „ein weiteres Syrien“ werde, womit er sowohl die russischen Versuche, eine Spaltung herbeizuführen meinte, als auch einen Krieg ohne Ende.

Ausländische Besucher, die Kiew oder eine andere Stadt abseits der unmittelbaren Frontlinie besuchen, könnten von der oberflächlichen Normalität überrascht sein. Restaurants, Kinos, Buchläden und Nachtclubs haben weiterhin geöffnet. Unternehmen und Betriebe arbeiten. Das ist nicht mehr als ein tapferer Gruß an das Leben. Aber es ist ein Trugbild. Unter der Oberfläche ist die wachsende Angst zu spüren. Und es ist abzusehen, dass sich die Lage bis zum Ende des Sommers noch verschlimmern wird.“

Wirkungsloser Terror

Der Blick zurück auf vergangene Kriege, in denen die Zivilbevölkerung militärisch terrorisiert wurde, zeigt, dass Angriffe auf Wohnhäuser selten den Ausgang eines Krieges beeinflusst haben. Weder hat Japan wegen der vollständigen Zerstörung von Tokio, Hiroshima und Nagasaki kapituliert, nach hat Deutschland durch die Bombardierung von Dresden und anderen Städten den Krieg beendet. Der „Blitz“ in London und anderswo hat die Widerstandskraft der britischen Bevölkerung eher befördert.

Quelle: imago/United Archive

Nach 80 Jahren sind die Bilder gleich geblieben. Und fast immer sind es böse alte Männer ohne Empathie, die den Krieg auslösen.

„Der Krieg ist schrecklich wie des Himmels Plagen.“ Aus dem „Wallenstein“ des schwäbischen Dichters Friedrich Schiller. Non sequitur.

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